Der Januar – Erich Kästner

12. Februar 2021
by Elisabeth Vente-Smusch
  • ErichKaestner

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.

Die Amseln frieren.
Und die Krähen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben.
Und wär so gerne gelb und blau und rot.

Umringt von Kindern wie der Rattenfänger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heißt, die Tage würden wieder länger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.

Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern.
Und niemand hält sie auf und fordert Zoll.
Silvester hörte man’s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches ändern
und, außer uns, viel besser werden soll.

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es träumt von Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.

 

Die 13 Monate ist ein Gedichtzyklus von Erich Kästner, der 1955 erschien. Er ist Kästners letzter Gedichtband.

Die Sammlung besteht aus dreizehn Gedichten von unterschiedlicher Länge und in unterschiedlichem Versmaß. Die ersten zwölf behandeln je einen Monat in der Reihenfolge des Kalenders. In vielen tritt der besungene Monat selbst in personifizierter Form auf. In jedem Gedicht preist Kästner die Schönheit, aber auch die melancholischen Seiten der jeweiligen Jahreszeit. Häufig wird das Thema des unweigerlichen Vergehens der Zeit aufgegriffen. Das Gedicht Der Januar beginnt mit der Beschreibung des Jahres als neugeborenes Kind. Durch das ganze Werk zieht sich das Motiv des Älterwerdens des Jahres, bis es in Der Dezember schließlich alt ist und sich auf den Abschied vorbereitet.

Das letzte Gedicht Der dreizehnte Monat beschreibt einen fiktiven „Schaltmonat“, der aus dem Besten aus allen anderen Monaten besteht. Am Ende gelangt Kästner zu der Einsicht, dass es einen solchen Monat nicht geben kann, und schließt mit den Worten:

„Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.“

Die 13 Monate gilt als eins der romantischsten und idyllischsten Werke Erich Kästners, das bezeichnend für seine späte Schaffenszeit ist.[1] Kästner selbst erklärt im Vorwort, er schreibe die Gedichte als „ein Großstädter für Großstädter“, der sich auf die Schönheit des Kreislaufs der Jahreszeiten und der Natur besinnen wolle.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christian Morgenstern, 1871-1914:

 

Die drei Spatzen

 

In einem leeren Haselstrauch,

da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

 

Der Erich rechts und links der Franz

und mittendrin der freche Hans.

 

Sie haben die Augen zu, ganz zu,

und obendrüber, da schneit es, hu!

 

Sie rücken zusammen dicht an dicht.

So warm wie der Hans hat’s niemand nicht.

 

Sie hör’n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.

Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

 

Die drei Spatzen faszinieren auch im einundzwanzigsten Jahrhundert noch ihre großen und kleinen Leser – nicht nur an kalten Wintertagen.

Die dort beschriebene humoristische Atmosphäre vermittelt ein wohlig-warmes Gefühl der Geborgenheit.

 

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

Ihr Verein Studierender im Alter e.V.